Strafrecht

Der “Schiebetermin” – Unterbrechung der Hauptverhandlung, § 229 StPO

Nach § 229 StPO darf eine Hauptverhandlung bis zu drei Wochen unterbrochen werden, nach zehn durchgeführten Verhandlungstagen auch einen Monat lang (§ 229 Abs. 1 und 2 StPO). Gelegentlich, z. B. wenn Urlaubszeiten zu überbrücken sind, lassen sich Verhandlungstage, an denen alle Beteiligten teilnehmen können, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist finden. Es werden dann so genannte “Schiebetermine” (oder auch: “Brückentermine”) durchgeführt. Diese lassen sich z. B. an den Beginn oder an das Ende eines Arbeitstags legen und so die Teilnahme aller Beteiligter ermöglichen oder es kann sich für einen kurzen Termin ein Verteidiger durch einen anderen – nicht mit der Sache vertrauten – Kollegen vertreten lassen. In einem solchen Vertretungsfall verhandelt das Gericht in der Beweisaufnahme Gegenstände, die für den abwesenden Verteidiger überschaubar sind. Gebräuchlich ist beispielsweise das Verlesen eines dem Verteidiger bereits bekannten Schriftstücks.

Die Durchführung solcher “Schiebetermine” ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, weil sie schnell die Grenze dazu überschreiten können, die Vorschrift über die Dauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 StPO) zu umgehen, was unzulässig wäre. Es muss das Verfahren im erheblichen Umfang gefördert werden. So müssen “Prozesshandlungen vorgenommen werden oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substantiell näher zu bringen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Dauer des Termins ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob er noch für weitere verfahrensfördernde Handlungen hätte genutzt werden können. Gleichermaßen unschädlich ist es, wenn der Termin daneben auch der Einhaltung der Unterbrechungsfrist dient” (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 496/20 –, juris).

Was bringt also das Verfahren im hinreichenden Umfang voran? Antworten liefern Beispiele aus der obergerichtlichen Rechtsprechung. So ist es nicht ausreichend, wenn in einem Termin lediglich Formalien durchgeführt werden, die weder für die Urteilsfindung noch für den dorthin führenden Verfahrensgang eigenständiges Gewicht besitzen (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2007 – 3 StR 254/07 –, Rn. 3, juris). Es reichte daher nicht, einen Pflichtverteidiger zu bestellen und die Fortsetzung der Verhandlung nach einer erfolgten Ablehnung gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz StPO (a. F.) anzuordnen, weil damit nur die Voraussetzungen für das Verhandeln geschaffen wurden, nicht aber die Sache selbst im Hinblick auf die Endentscheidung vorangebracht wurde (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2007 – 3 StR 254/07 –, Rn. 4, juris). Auch die Feststellung zum Abschluss des Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 S. 3 StPO) fördert in diesem Sinne nicht die Sache, weil sie lediglich zur Protokollierung einer bereits zurückliegenden Beweisaufnahme dient (BGH, a. a. O.). Anders war es in dem Fall, dass die Anordnung der Selbstlesung erst zum Ende der Selbstlesung erfolgt war, weil durch die Anordnung der Selbstlesung (im Gegensatz zur Feststellung des Vollzugs der Anordnung) das Verfahren durchaus gefördert wird (BGH, Urteil vom 28. November 2012 – 5 StR 412/12 –, BGHSt 58, 59-61, Rn. 11). Auch genügt es nicht, die Erkrankung eines für den betreffenden Tag geladenen Zeugen mitzuteilen und die Erforderlichkeit einer weiteren Unterbrechung der Hauptverhandlung zu erörtern (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 – 3 StR 202/15 –, Rn. 5, juris).

Demgegenüber war es ausreichend, in einem Termin zu erörtern, ob noch Beweisanträge gestellt werden und dass eine neu beigezogene Beiakte nicht von Amts wegen in die Beweisaufnahme eingebracht werden sollte, und dann die Beweisaufnahme zu schließen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 496/20 –, juris). Es hat auch ausgereicht, die Gründe für das überraschende Ausbleiben einer Zeugin zu ermitteln und im Termin bekanntzugeben (BGH, Urteil vom 16. November 2017 – 3 StR 262/17 –, Rn. 11, juris). Auch wenn Feststellungen zur Verhandlungsfähigkeit getroffen und die Beauftragung eines Sachverständigen erfolgt, reicht dies zur Förderung der Sache aus (BGH, Urteil vom 19. April 2000 – 3 StR 442/99 –, Rn. 9, juris).

Riskant wird es, wenn das Gericht nur formal zum Zwecke der Umgehung der Vorschrift zur Dauer der Unterbrechung (§ 229 StPO) tätig wird und der Gesichtspunkt der Verfahrensförderung dahinter als bedeutungslos zurücktritt. Ein solches Umgehen ist etwa dann naheliegend, wenn einheitliche Verfahrensvorgänge willkürlich in kürzere Verfahrensabschnitte zerteilt und auf mehrere Verhandlungstage aufgeteilt werden oder aus der Verfahrensgestaltung ersichtlich wird, dass es nur darum geht, die Unterbrechungsfrist zu wahren (BGH, Urteil vom 02. Februar 2012 – 3 StR 401/11 –, Rn. 18, juris). Im konkreten Fall ging es darum, dass das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eintrat, um eine Begutachtung des Angeklagten durchführen zu lassen und für deren Dauer mehrere Fortsetzungstermine anberaumte, in denen lediglich geringfügige Beweise erhoben wurden. So dürfte wohl eine Aneinanderreihung von derartigen Kurzterminen schnell zum Verdacht führen, man wolle lediglich die Unterbrechungsvorschriften des § 229 StPO umgehen.