Strafrecht

Erfolgsaussichten von Revisionen in Strafsachen

Die Revision als Rechtsmittel in Strafsachen führt zu Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Rechtsfehler und – soweit ausdrücklich gerügt – des Verfahrens auf Verfahrensfehler. Es kommt für den Erfolg einer Revision darauf an, dass das Revisionsgericht Fehler bei der Anwendung des Rechts in der Entscheidung oder im Verfahren erkennt und diese sich auf das Urteil zum Nachteil des Revisionsführenden auswirken. Die Revision in Strafsachen kann nur dann Erfolg haben, wenn das Urteil auf der Verletzung des Gesetzes beruht, nämlich eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet wurde (§ 337 StPO).

Zum einen hat die Revision Erfolg, wenn die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird und das Revisionsgericht bei Lektüre des angefochtenen Urteils darin Fehler entdeckt. Solche Fehler können beispielsweise darin bestehen, dass eine Strafnorm falsch angewendet worden ist. Anhand der Feststellungen zum Tathergang (das ist der Abschnitt des Urteils, in dem beschrieben wird, was sich zum angeklagten Tatzeitpunkt zugetragen hat) kann das Revisionsgericht nachprüfen, ob die Strafvorschrift richtig angewendet worden ist. Wenn z. B. das berichtete Geschehen gar nicht strafbar ist, wird ein bestrafendes Urteil aufzuheben sein. Eine andere Art Fehler ist gegeben, wenn das Gericht nicht hinreichend nachvollziehbar begründet, warum es davon überzeugt ist, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie er (in den Feststellungen) berichtet wird. Wenn zum Beispiel das Gericht für eine Feststellung (“Der Angeklagte wollte das Diebesgut für sich verwenden.”) nicht anführt, warum es von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Auch kommt es vor, dass das Gericht einen Grund für eine höhere Strafe anführt, der im Gesetz keine Stütze findet.

Wenn angeführt wird, materielles Recht sei verletzt worden, hat das Revisionsgericht die Aufgabe, das angefochtene Urteil gründlich daraufhin auszuwerten, ob es in sich hinsichtlich aller Teile der Entscheidung sorgfältig begründet ist. Diejenige oder derjenige, der die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat es mit der Revisionsbegründung insofern recht leicht, als mehr als der Satz nicht geschrieben werden muss, man rüge die Verletzung materiellen Rechts.

Hinsichtlich der Erfolgsaussicht der auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision ist zu sehen, dass sich diese Rüge leicht hinschreiben lässt, aber man auch davon ausgehen kann, es sozusagen “gegen Profis” aufzunehmen. Richterinnen und Richter haben gelernt und sind erfahren, handwerklich einwandfreie Urteile zu schreiben. Aber natürlich machen auch Profis gelegentlich Fehler. Wenn sich nicht bei nüchterner Betrachtung des Urteils schon zeigt, dass es Fehler hat, sieht die Revision wegen Verletzung materiellen Rechts wie eine Sache des Glücks aus. Es hängt oft von recht feinsinnigen Unterscheidungen ab, ob ein Urteil noch in Ordnung ist oder schon aufzuheben.

Zum anderen hat die Revision Erfolg, wenn es gelingt nachzuweisen, dass im Verfahren Fehler gemacht worden sind, die die Aufhebung des Urteils rechtfertigen. Mit Blick auf so genannte “absolute” Revisionsgründe gibt es eine Reihe von Fehlern, die allein wegen ihres Vorliegens schon zur Aufhebung des Urteils führen. Wenn z. B. ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt worden ist und daher nicht mehr an dem Urteil mitwirken durfte, dann ist das Urteil aufzuheben, egal, ob sich der Fehler für den oder die Revisionsführerin nachteilig ausgewirkt hat. Bei den anderen Revisionsgründen kommt es nicht nur darauf an, dass Fehler gemacht wurden, sondern sie müssen sich auch zum Nachteil der Person ausgewirkt haben, die die Revision eingelegt hat. Legt ein Angeklagter die Revision ein und zeigt sich, dass ein Verfahrensfehler vorliegt, dann muss sich dieser auch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. Hat z. B. das Gericht entgegen der Aufklärungspflicht einen Belastungszeugen nicht vernommen, dann wäre dies ein Verfahrensfehler, aber das wäre für den Angeklagten, der die Revision eingelegt hat, nicht von Nachteil (der Zeuge hätte ja zu seinem Nachteil ausgesagt).

Hinsichtlich Verfahrensfehlern wird es aber noch schwieriger. Während die Verletzung materiellen Rechts leicht mit einem Satz behauptet werden kann, um eine Revision zu begründen, müssen Verfahrensfehler detailliert dargelegt werden. Das Revisionsgericht kann diese in der Regel dem Urteil nicht ansehen – es sind ja Verfahrensfehler, und das angefochtene Urteil muss zum Verfahren nichts besagen. Es muss also von der Revisionsführerin bzw. dem Revisionsführer im Einzelnen dargelegt werden, dass es einen Verfahrensfehler gegeben hat und woraus sich das ergibt. Dazu müssen die den Fehler begründenden (und sogar auch die gegen den Fehler sprechenden) Gesichtspunkte schriftlich dargelegt und auch mit geeigneten – zu zitierenden – Unterlagen belegt werden. Und es muss dargelegt werden, dass sich daraus ein Nachteil für die Revisionsführerin oder den Revisionsführer ergibt.

Die Begründung von Verfahrensfehlern ist angesichts der Anforderungen, die an den Vortrag gestellt werden, um überhaupt eine Verfahrensrüge zulässig erhoben zu haben, eine oftmals große Herausforderung. An dieser Herausforderung scheitern auch erfahrene Rechtsanwälte nicht selten. Viele Revisionen werden verworfen, nachdem bereits die Verfahrensrügen als nicht hinreichend dargelegt – als unzulässig – bewertet worden sind.

Bedenkt man dies alles, dann lässt sich leichter nachvollziehen, warum die meisten Revisionen keinen Erfolg haben. Hinzu kommt, dass oft auch in dem Fall, in dem ein Urteil aufgehoben wird, das Verfahren bloß fortgesetzt wird. Das Revisionsgericht schickt die Akte zum Vorgericht zurück, und dann muss eine neue Beweisaufnahme durchgeführt werden, an deren Ende eine neue Verurteilung stehen kann. Manchmal kann sie günstiger ausfallen, z. B. weil die Strafe allein schon wegen Zeitablaufs zu reduzieren ist, manchmal kann das Ergebnis auch sein, dass sich nichts ändert außer, dass viel Geld in das Verfahren gesteckt worden ist.

Ob man Revision einlegt, ist vor diesem Hintergrund oftmals eine schwierige Entscheidung. Mit einer guten Verteidigerin oder einem guten Verteidiger wird man alle die hier angesprochenen Gesichtspunkte gründlich bewerten. Dabei ist es wichtig, zwischen dem zu unterscheiden, was man sich als Ergebnis eines Strafverfahrens wünscht, und dem, was rechtlich möglich ist. Erschwert wird die Entscheidung dadurch, dass man erstmal nur eine Woche Zeit hat, Revision einzulegen. Allerdings kann man auch danach noch die Revision wieder zurücknehmen, wenn man – mit etwas Abstand – feststellt, ob sie sich lohnen wird oder nicht.

Hinsichtlich knapp einem Fünftel der Angeklagten hat das Revisionsverfahren zu einer Änderung des angefochtenen Urteils geführt. Dies ergibt die amtliche Statistik für 2020. Danach ist bei Revisionen betreffend 5.490 Angeklagte in 1.030 Fällen eine Änderung erfolgt. Mehr als dreimal so viele Revisionen (3.913) wurden als offensichtlich unbegründet verworfen.