Strafrecht

Absetzungsfristen für Urteile in Strafsachen, § 275 StPO

Ist in Strafsachen das Urteil gesprochen, beginnt das Warten auf das schriftliche Urteil. Dieses ist Voraussetzung beispielsweise für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Das schriftliche Urteil ist eine Grundlage für die Planung des Vollzugs, wenn es rechtskräftig ist. Ist es angefochten – mit der Berufung oder der Revision – dient das schriftliche Urteil der Überprüfung des Richterspruchs.

§ 275 StPO setzt daher dem Gericht eine Frist, binnen der das schriftliche Urteil hergestellt werden muss. Die Länge der Frist – mindestens 5 Wochen – richtet sich nach dem Umfang der Hauptverhandlung, der in Verhandlungstagen ausgedrückt wird. Die Fristen des § 275 StPO sollen zum einen dem Beschleunigungsgebot Rechnung tragen, das die zügige Förderung jedes Strafverfahrens gebietet. Zum anderen soll durch die Fristen auch vermieden werden, dass eine späte Abfassung des Urteils zu einer (möglicherweise: unzuverlässigen) Rekonstruktion der Beweggründe des Gerichts wird. § 338 Nr. 7 StPO erklärt die Überschreitung der Absetzungsfrist zum so genannten “absoluten Revisionsgrund”. Dies bedeutet, dass die Revision schon allein aufgrund der Fristüberschreitung Erfolg hat, weil das Urteil als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist. Selbst ein irrtümliches Überschreiten der Frist (etwa durch einen Fehler bei der Fristberechnung) löst die Rechtsfolge des § 338 Nr. 7 StPO aus (BGH, Beschluss vom 05. März 1997 – 3 StR 18/97 –, juris; BGH, Beschluss vom 09. Dezember 2010 – 5 StR 485/10 –, juris; BGH, Beschluss vom 12. November 2019 – 5 StR 542/19 –, juris).

Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Fristen.

VerhandlungstageAbsetzungsfrist
1-35 Wochen
4-107 Wochen
11-209 Wochen
21-3011 Wochen
31-4013 Wochen
41-5015 Wochen
51-6017 Wochen
61-7019 Wochen
71-8021 Wochen
81-9023 Wochen
91-10025 Wochen
101-11027 Wochen
111-12029 Wochen
121-13031 Wochen
131-14033 Wochen
141-15035 Wochen

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: für jede weiteren angebrochenen zehn Verhandlungstage gibt es zwei weitere Wochen für die Absetzung des Urteils.

Ҥ 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.”

Strafprozessordnung