Strafrecht

Soll das Gaffen an Unfallstellen bestraft werden?

Ein Beitrag zur Diskussion um das so genannte Gaffen an Unfallstellen:

Gefunden bei www.sueddeutsche.de – mit Hintergrundinformationen.

Behinderungen der Rettungskräfte an Unfallstellen durch Schaulustige und Verkehrsteilnehmer, die den Weg zur Unfallstelle nicht freimachen, werden in den letzten Jahren immer mehr zum Thema in den Medien. Szenen wie im oben gezeigten Film oder wie sie sich immer wieder in Staus vor Unfallstellen im Straßenverkehr abspielen, bereiten Rettern und Polizei immer wieder Schwierigkeiten, ihren Aufgaben nachzukommen. Gerade jetzt war es wieder durch die Medien gegangen, dass Feuerwehrleute bei ihrer Arbeit sogar beschimpft und bedroht worden sind. Offenbar haben sie Schaulustigen sozusagen die Plätze in der ersten Reihe streitig gemacht, um helfen zu können. Hier ein paar Beispiele aus der Berichterstattung:

Das Verhalten von Gaffern und Verkehrsteilnehmern, die den Weg für Rettungskräfte nicht freimachen, verursacht Probleme auf mehreren Ebenen:

  • Zunächst steht die Behinderung der Rettungskräfte im Raum: Rettungskräfte können entweder nicht ungehindert den Unfallort erreichen oder vor Ort ungehindert arbeiten. Dies ist nicht nur lästig, sondern kann für Unfallbetroffene zu ernsthaften Verschärfungen ihrer Situation führen. So kann es zur Verschlimmerung von Verletzungen kommen, schlimmstenfalls können durch die Verzögerung der Hilfe lebensbedrohliche oder tödliche Zustände erreicht werden. Die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Leben stehen auf dem Spiel.
  • Sind Rettungskräfte durch die Abwehr von Beeinträchtigungen gebunden, wird ihre personelle Verstärkung erforderlich. Es werden dann mehr Einsatzkräfte gebunden als für die Rettungsmaßnahmen und die Sicherung des Verkehrs erforderlich. Sie stehen für andere Einsätze nicht zur Verfügung. In letzter Konsequenz müssten mehr Polizeikräfte eingestellt und eingesetzt werden, was erhebliche Steuermittel kostet.
  • Durch den Unfall werden sonst privat Reisende zum Gegenstand von Aufmerksamkeit. Ihre Anonymität wird so aufgehoben, was durch Schaulustige, die Fotos und Videos anfertigen und diese weitergeben, verstärkt wird. Erhebliche Einschnitte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gehen damit einher.

Diesen Folgen der Schaulust und des Behinderns der Rettungskräfte steht das menschliche Bedürfnis auf Neugier und Bestätigung der eigenen Unversehrtheit gegenüber. Auch sind das Bilden einer Rettungsgasse und das Zurseitetreten aktive Handlungen, die von Rettungskräften bzw. im Interesse der Unfallopfer und der Allgemeinheit verlangt werden.

Der ethische und der soziale Unwert des beschriebenen Verhaltens ist offensichtlich. Das Interesse am Schauen und ungestörten Im-Wege-Seins ist nicht schützenswert. Die Forderung, die Unfallstelle zu verlassen bzw. den Zuweg dorthin freizumachen, ist allenfalls lästig und angesichts der in Rede stehenden Gefahren für Leib und Leben, Persönlichkeitsrecht und das Funktionieren des Staats und seiner Einrichtungen (Rettungsdienste, Polizei) überwiegen beträchtlich.

Fraglich ist bloß, wie soll das in Rede stehende Verhalten sanktioniert werden? Es bedarf Entscheidungen zu mehreren Fragen:

  • Wie kann das störende Verhalten definiert werden ohne ein zu weitgehendes Verbot zu formulieren?
  • Welche Sanktionen sind zielführend?

Die Aufgabe der Definition von Tatbeständen ist vor allem sprachlicher und rechtssystematischer Natur. Es bietet sich an, von zwei verschiedenen Sachverhalten auszugehen, nämlich das Verhalten von Schaulustigen auf der einen Seite und das Verhalten von behindernden Personen auf der anderen Seite.

Um einen sanktionsfähigen Sachverhalt zu definieren, der die Störungen durch Schaulustige umschreibt, dürfte es sinnvoll sein, sich daran zu orientieren, was das Schauen intolerabel macht. Das bloße Hinschauen dürfte aus Sicht der Rechtsordnung hinzunehmen sein. Zum einen wäre es sehr weitreichend, das bloße Hinschauen zu ahnden. Zum anderen stellen sich auch Probleme bei der Beweisführung: wann ist jemand nur in der Nähe gewesen, wann hat jemand geschaut?

Weiter ist die Frage zu beantworten, ob die störenden Verhaltensweisen mit Bußgeld, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden sollen, und ob daneben ein Fahrverbot zu verhängen ist. Das wäre z. B. bei schaulustigen Kraftfahrzeugführern und solchen Fahrern sinnvoll, die herannahenden Blaulichtfahrzeugen nicht Platz machen. Gerade Fahrverbote, und bei schwereren Verstößen – etwa Nötigungshandlungen – auch Einziehung des Fahrzeugs (als Tatwerkzeug) können wirksame Anreize zu richtigem Verhalten geben.