Zivilrecht

Wirklich kein Mitverschulden ohne Fahrradhelm?

Der Bundesgerichtshof hat heute einer Klägerin vollen Schadensersatz aus einem Zusammenstoß mit einem Pkw zuerkannt und das Vorliegen eines Mitverschuldens der Klägerin verneint. Die Klägerin war gegen die Fahrertür eines rechts der Fahrbahn abgestellten Personenkraftwagens gefahren, die unmittelbar vor ihr so geöffnet wurde, dass die Klägerin mit ihrem Fahrrad nicht mehr ausweichen konnte. Der BGH stellt allerdings wohl auf Gegebenheiten ab, die künftig anders liegen könnten.

Mit Urteil vom 17. Juni 2014 hat der Bundesgerichtshof in der Sache VI ZR 281/13 entschieden, dass ein Mitverschulden der Klägerin nicht vorgelegen hat (BGH, Pressemitteilung 95/14 vom 17.6.2014). Es habe weder eine Pflicht zum Tragen eines Fahrradhelms bestanden, noch habe die Voraussetzung vorgelegen, aus Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einen Fahrradhelm zu tragen. Nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshof war maßgeblich, dass 2011 – als der Unfall geschah – ein allgemeines Bewusstsein nicht vorgelegen habe, dass es erforderlich und zumutbar sei, sich durch Tragen eines Helms beim Fahrradfahren zu schützen. Ob ein solches Bewusstsein für Radsportler vorgelegen hat, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen. Jedenfalls für die allgemeine Teilnahme von Radfahrern am Straßenverkehr lag damit ein Mitverschulden an den Unfallfolgen (z. B. Schädelverletzungen) nicht vor.

Ob mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs nunmehr Rechtssicherheit vorliegt und auch für die Zukunft geklärt ist, dass ein MItverschulden von Radfahrern an Unfallfolgen eines sonst nicht von ihnen verursachten Unfalls nicht vorliegt, darf wohl als unklar anzusehen sein. Jedenfalls soweit die Beurteilung des Falls darauf abstellt, welche Überzeugungen in der Bevölkerung im Jahr 2011 vorgelegen haben, ist eine Veränderung der Beurteilung künftiger Schadensersatzansprüche aus Straßenverkehrsunfällen nicht ausgeschlossen. Die Argumentation mit der Verkehrsauffassung – 2011 hätten nach einer Erhebung elf Prozent der Radfahrer einen Helm getragen – lässt vermuten, dass bei einer weiteren Zunahme der Verbreitung von Fahrradhelmen eines Tages die Beurteilung ähnlicher Fälle dahin umschlägt, ein Mitverschulden von Radfahrern anzunehmen, die keinen Helm tragen.

So könnte bereits das Urteil vom 17. Juni 2014 den Grund dafür legen, dass künftig anders zu entscheiden wäre, indem es für viele ein Anlass sein könnte, künftig einen Fahrradhelm zu tragen. So dass eines Tages der Bundesgerichtshof entscheiden kann: nunmehr führt das Fehlen eines Fahrradhelms zur Mithaftung, da nach der Verkehrsauffassung der Fahrradhelm zum Selbstschutz gehört.