Zivilrecht

Schadensersatz und Schmerzensgeld nach Verkehrsunfällen

Verkehrsunfälle sind häufig die Folge von kleinen Unachtsamkeiten, die ganz und gar nicht kleine Auswirkungen nach sich ziehen können. Der folgende kleine Beitrag gibt eine Einführung zum Verständnis mancher vielleicht nicht immer spontan verständlichen Zuordnung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen.

Gleich zu Anfang zwei Beispiele:

1. Der A fährt auf eine Kreuzung zu und bremst scharf, um einen vorfahrtsberechtigten Fahrradfahrer abzuwarten, den er erst spät erkennt. B, der mit einem gewissen Abstand dem A folgt, bemerkt dies nicht früh genug, so dass er sein Auto nicht mehr rechtzeitig zum Stehen bringen kann.

2. Der C fährt auf der Landstraße mit 105 Stundenkilometern und ist genervt, weil D im schon länger mit kurzem Abstand folgt. Der C will D auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen und bremst, und zwar so scharf, dass D nicht verhindern kann, dass sein Auto gegen das des C fährt.

Es soll unterstellt werden, dass an allen beteiligten Fahrzeugen Beschädigungen aufgetreten sind. Die Frage ist, mit welchen Anteil die Beteiligten jeweils für die Schäden aufkommen müssen.

Allgemein ist zunächst davon auszugehen, dass sämtliche Schäden aus einem Unfall gleich behandelt werden. Das Schadensrecht sieht z. B. nicht vor, dass jeder seinen Schaden selbst trägt, etwa weil die Verursachungsbeiträge vergleichbar sind. In so einem Fall würde der 300-Euro-Schaden am einen Auto ebenso hälftig auf beide Unfallbeteiligten zu verteilen sein wie der 1.200-Euro-Schaden an dem anderen Auto: Beide Seiten müssten in so einem Fall für jeweils 750 Euro aufkommen (Gesamtschaden von 1.500 durch zwei).

Für die Bestimmung der Haftungsanteile sind folgende Grundsätze maßgeblich, bei denen die Schadenshöhe keine Rolle spielt: Zunächst haftet jeder Halter eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr für die so genannte Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Dass der Gesetzgeber ein so gefährliches Verhalten wie Autofahren erlaubt, erfolgt unter der Bedingung, dass für die vom Betrieb des Kraftfahrzeugs ausgehenden Gefahren gehaftet wird, und zwar ohne dass den Halter oder den Fahrer ein Verschulden an einem Schaden treffen muss, der durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs verursacht wird (vgl. § 7 Straßenverkehrsgesetz, StVG). Daneben liegt dem Schadensrecht im Übrigen zugrunde, dass für einen verschuldeten Schaden zu haften ist. Dieser Grundsatz findet ebenfalls auf die Haftung für Schäden Anwendung, die beim Führen eines Kraftfahrzeugs hervorgerufen werden. Schließlich werden bei der Verursachung von Schäden durch mehrere Fahrzeuge die Anteile Betriebsgefahr und Verschulden jeweils gewichtet und schließlich abgewogen, so dass es zu einer Haftung nach Bruchteilen (meist in Prozent ausgedrückt) kommen kann.

Kommt es zu einem Unfall zwischen zwei Fahrzeugen ohne dass einer Seite ein Verschulden nachgewiesen werden kann (z. B. weil nicht mehr nachvollzogen werden kann, welche Seite bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren ist), kommt eine hälftige Haftung zur Anwendung (50:50). Trifft eine Seite oder beide Seiten ein Verschulden, dann kommt es auf das Maß des Verschuldens an: je nach Überwiegen des Verschuldens verschieben sich die Anteile. Im Ausgangsfall verbleibt jeder Seite ein gewisser Anteil der Haftung, weil für die Betriebsgefahr zu haften ist. Im Normalfall gibt es dann Haftungsquoten von 20:80 bis 40:60 (Prozent). In bestimmten Konstellationen kann das Verschulden des einen Fahrers die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des anderen so weit überwiegen, dass sogar eine 100-prozentige Haftung stattfindet. Dies ist insbesondere bei den Fällen der so genannten „verkehrsrechtlichen Totsünden“ der Fall. Diese liegen da vor, wo gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen wird, in denen es etwa heißt, dass eine Gefährdung für andere auszuschließen ist. Dies gilt etwa für das Einfahren von einer Grundstückseinfahrt auf die Fahrbahn: hier hat der fließende Verkehr nicht bloß Vorfahrt, sondern der von einem Grundstück Einfahrende muss eine Gefährdung etwa des fließenden Verkehrs auszuschließen (§ 10 StVO). Kommt es durch das Einfahren von einer Grundstückseinfahrt auf eine Fahrbahn zu einem Zusammenstoß mit dem fließenden Verkehr, haftet der Einfahrende allein (solange nicht dem anderen Fahrer auch ein Verschulden vorzuwerfen ist).

Nun zu den Beispielsfällen von oben:

Im ersten Fall kommt zur Anwendung, dass der Fahrer des nachfolgenden Fahrzeugs (hier der B) einen Abstand zum Vorausfahrenden einhalten muss, der es ermöglicht, sein Fahrzeug rechtzeitig zum Stehen zu bringen (§ 4 StVO). Ein Verstoß hiergegen stellt eine der „Totsünden“ dar: der B haftet alleine, obwohl der A selber den Radfahrer auch erst kurzfristig erkannt hat. Der B muss sich aber sogar darauf einstellen, dass es zu einer Vollbremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs kommen kann. Den A hat schließlich die Pflicht getroffen, dem Fahrradfahrer die Vorfahrt zu gewähren.

Im zweiten Fall ist es so, dass zwar auch hier der D sich auf eine Vollbremsung des Vorausfahrenden (C) einstellen musste. Jedoch verbietet § 4 StVO es dem Vorausfahrenden, ohne triftigen Grund scharf zu bremsen. Da der C sogar eigens dafür gebremst hat, den D zu zwingen ebenfalls zu bremsen, überwiegt in der Abwägung das Verschulden des C: Der C muss damit rechnen, für 70 bis 80 Prozent des Schadens zu haften.

Mit dem Schmerzensgeld ist es ähnlich: bei der Bemessung des Schmerzensgelds für Körperschäden wird neben den anderen Faktoren auch das Verschulden der Unfallbeteiligten berücksichtigt. Zwar bildet das Gericht hierbei keine Quote, jedoch fließt die Haftungsquote im Ergebnis in die Einschätzung der Höhe des Schmerzensgelds ein, wobei die Höhe der Quote nicht rechnerisch berücksichtigt wird, sondern in die Bewertung des Erlittenen Eingang findet.