• Strafrecht

    Erfolgsaussichten von Revisionen in Strafsachen

    Die Revision als Rechtsmittel in Strafsachen führt zu Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Rechtsfehler und – soweit ausdrücklich gerügt – des Verfahrens auf Verfahrensfehler. Es kommt für den Erfolg einer Revision darauf an, dass das Revisionsgericht Fehler bei der Anwendung des Rechts in der Entscheidung oder im Verfahren erkennt und diese sich auf das Urteil zum Nachteil des Revisionsführenden auswirken. Die Revision in Strafsachen kann nur dann Erfolg haben, wenn das Urteil auf der Verletzung des Gesetzes beruht, nämlich eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet wurde (§ 337 StPO). Zum einen hat die Revision Erfolg, wenn die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird und das Revisionsgericht bei Lektüre des angefochtenen…

  • Strafrecht

    Der “Schiebetermin” – Unterbrechung der Hauptverhandlung, § 229 StPO

    Nach § 229 StPO darf eine Hauptverhandlung bis zu drei Wochen unterbrochen werden, nach zehn durchgeführten Verhandlungstagen auch einen Monat lang (§ 229 Abs. 1 und 2 StPO). Gelegentlich, z. B. wenn Urlaubszeiten zu überbrücken sind, lassen sich Verhandlungstage, an denen alle Beteiligten teilnehmen können, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist finden. Es werden dann so genannte “Schiebetermine” (oder auch: “Brückentermine”) durchgeführt. Diese lassen sich z. B. an den Beginn oder an das Ende eines Arbeitstags legen und so die Teilnahme aller Beteiligter ermöglichen oder es kann sich für einen kurzen Termin ein Verteidiger durch einen anderen – nicht mit der Sache vertrauten – Kollegen vertreten lassen. In einem solchen Vertretungsfall…

  • Strafrecht

    Verkalkuliert: Gebrauch des Taschenrechners am Steuer verboten

    Nicht nur, wer als Führer eines Kraftfahrzeugs ein Smartphone oder anderes Mobiltelefon bei der Fahrt benutzt und das Gerät dafür aufnimmt oder hält oder dabei den Blick zu lange vom Verkehrsgeschehen abwendet, erfüllt einen Bußgeldtatbestand. Auch der Gebrauch eines Taschenrechners erfüllt die Voraussetzungen für das Bußgeld. Dies hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss am 16. Dezember 2020 klargestellt. Ein Autofahrer war zu einer Geldbuße verurteilt worden, nachdem er am Steuer einen Taschenrechner benutzt hatte. Nachdem das Oberlandesgericht dem Bundesgerichtshof die Frage vorgelegt hatte, wie die Benutzung eines Taschenrechners am Steuer zu beurteilen ist, hat der für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Taschenrechner der Regelung des § 23…

  • Strafrecht

    Absetzungsfristen für Urteile in Strafsachen, § 275 StPO

    Ist in Strafsachen das Urteil gesprochen, beginnt das Warten auf das schriftliche Urteil. Dieses ist Voraussetzung beispielsweise für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Das schriftliche Urteil ist eine Grundlage für die Planung des Vollzugs, wenn es rechtskräftig ist. Ist es angefochten – mit der Berufung oder der Revision – dient das schriftliche Urteil der Überprüfung des Richterspruchs. § 275 StPO setzt daher dem Gericht eine Frist, binnen der das schriftliche Urteil hergestellt werden muss. Die Länge der Frist – mindestens 5 Wochen – richtet sich nach dem Umfang der Hauptverhandlung, der in Verhandlungstagen ausgedrückt wird. Die Fristen des § 275 StPO sollen zum einen dem Beschleunigungsgebot Rechnung tragen, das die zügige…

  • Grundrechte

    Unterlassen der Vorlage an den EuGH kann gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen

    Jetzt hat eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht Erfolg gehabt, weil das in der Sache entscheidende Fachgericht es unterlassen hatte, eine Zweifelsfrage bei der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Das Bundesverfassungsgericht sieht im konkreten Verfahren nicht nur einen einfachen Verstoß gegen die Vorlagepflicht, sondern eine unvertretbare Überschreitung des dem Fachgericht zukommenden Beurteilungsrahmens. In diesem Fall hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg. (Vgl. Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 3/2018 vom 11. Januar 2018, 2 BvR 424/17). Nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind bei Zweifeln über die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht die nationalen Gerichte verpflichtet, die Zweifelsfragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Damit soll eine einheitliche…

  • Strafrecht

    Soll das Gaffen an Unfallstellen bestraft werden?

    Ein Beitrag zur Diskussion um das so genannte Gaffen an Unfallstellen: Gefunden bei www.sueddeutsche.de – mit Hintergrundinformationen. Behinderungen der Rettungskräfte an Unfallstellen durch Schaulustige und Verkehrsteilnehmer, die den Weg zur Unfallstelle nicht freimachen, werden in den letzten Jahren immer mehr zum Thema in den Medien. Szenen wie im oben gezeigten Film oder wie sie sich immer wieder in Staus vor Unfallstellen im Straßenverkehr abspielen, bereiten Rettern und Polizei immer wieder Schwierigkeiten, ihren Aufgaben nachzukommen. Gerade jetzt war es wieder durch die Medien gegangen, dass Feuerwehrleute bei ihrer Arbeit sogar beschimpft und bedroht worden sind. Offenbar haben sie Schaulustigen sozusagen die Plätze in der ersten Reihe streitig gemacht, um helfen zu…

  • Zivilrecht

    Einkaufen im Internet: Widerruf aus fast jedem Grund möglich

    Bei Fernabsatzgeschäften (hier: Bestellung von Matrazen über das Internet) darf der Verbraucher vom Widerrufsrecht grundsätzlich aus jedem beliebigen Grund Gebrauch machen. Eingeschränkt wird das Widerrufsrecht im Fernabsatzgeschäft lediglich in Fällen des Rechtsmissbrauchs. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem ein Verbraucher den Kauf von Matrazen über das Internet widerrief und die Ware an den Verkäufer zurück sandte (BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15, Pressemitteilung 057/2016). Der Verkäufer hat sich gegen den Widerruf des Käufers gewandt, weil dieser den Kaufvertrag nicht aus Gründen widerrufen habe, die sich aus der Prüfung der gelieferten Ware ergeben, wofür das Widerrufsrecht gegeben sei. Vielmehr habe der Käufer damit…

  • Zivilrecht

    Bank muss bei Markenverletzung Kundendaten verraten

    Bezahlt ein Käufer eine Ware mittels Überweisung auf ein Bankkonto des Verkäufers, der eine Produktfälschung unter einer geschützten Marke verkauft, kann die Bank des Verkäufers verpflichtet sein, dem Käufer, der sonst die Identität des Verkäufers (hier ein Verkäufer auf eBay) nicht kennt, Auskunft über den Kontoinhaber zu geben. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 2015 entschieden.

  • Grundrechte

    Unterlassen der Richtervorlage vor das Bundesverfassungsgericht verstößt gegen gesetzlichen Richter

    Unterlässt es ein Gericht entgegen Artikel 100 Grundgesetz, dem Bundesverfassungsgericht einen Fall vorzulegen, obwohl es das anzuwendende Gesetz für verfassungswidrig hält, verletzt dies den Anspruch auf den Gesetzlichen Richter aus Artikel 101 Grundgesetz. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am 16. Januar 2015 in einem Fall entschieden, in dem der Bundesgerichtshof eine aus seiner Sicht verfassungswidrige Norm im Wege der einschränkenden Auslegung nicht angewendet hat. Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall entschieden, in dem es um die Höhe einer Entschädigung für den Entzug eines Grundstücks ging. Eine Gemeinde hatte einem Grundstückseigentümer nicht die beantragte Baugenehmigung erteilt, weil sie die Baulücke zu einer Grünfläche weiterentwickeln wollte. Als die Gemeinde das Grundstück vom Eigentümer…

  • Zivilrecht

    Überraschungsurteil: …und dann ist doch alles ganz anders

    Auch nach einer Verhandlung und dabei gegebenen Hinweisen zur Rechtsauffassung des Gerichts kommt es vor, dass erneutes Durchdenken des Falls zu einer neuen rechtlichen Beurteilung führt. Hat sich das Gericht zuvor hinsichtlich seiner rechtlichen Würdigung des Falls festgelegt, kann eine unzulässige Überraschungsentscheidung vorliegen. In einem Fall hatte das Berufungsgericht durch schriftlichen Hinweis und wiederholt in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, aufgrund einer gefestigten Linie seiner Rechtsprechung die Berufung zurückweisen zu wollen. Im danach ergangenen Urteil hat das Berufungsgericht das Urteil der Vorinstanz dann doch abgeändert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte damit Gelegenheit, erneut darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz [GG]) es gebietet, der Gegenseite…